Eine Schicht als Pfleger/In im Altenheim

Es ist 6:30 Uhr an einem kühlen Montagmorgen, als ich die Türen des Altenheims St. Marien betrete. Der Geruch von frischem Kaffee mischt sich mit dem sanften Parfüm, das aus dem Pflegestützpunkt strömt. Die Nachtwache übergibt den Dienst an das Tagespersonal, und die Übergabe erfolgt routiniert. Namen, Zimmernummern und besondere Vorkommnisse der Nacht werden besprochen. Für mich, einen Neuling, der heute nur für eine Schicht dabei ist, fühlt sich diese Welt fremd und faszinierend zugleich an.

Mit einem Lächeln und einem herzlichen „Guten Morgen!“ begrüßt mich Sabine, eine erfahrene Altenpflegerin, die mich heute begleiten wird. Sie ist Mitte 40, freundlich und strahlt eine beeindruckende Ruhe aus, die in diesem hektischen Beruf sicher von Vorteil ist. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu den Zimmern der Bewohner, um den Morgenpflegeroutinen nachzukommen.

Unser erster Halt ist bei Frau Schneider, 85 Jahre alt, die seit zwei Jahren hier lebt. Sie sitzt bereits aufrecht im Bett und wartet auf unsere Hilfe. „Guten Morgen, Frau Schneider“, begrüßt Sabine sie mit einem Lächeln. Ich bemerke, wie wichtig dieser Moment des persönlichen Kontakts ist. Es ist nicht nur eine Frage der Pflege, sondern auch der Menschlichkeit und Wärme. Wir helfen Frau Schneider beim Aufstehen, waschen ihr Gesicht und kleiden sie an. Sabine spricht beruhigend auf sie ein, erzählt kleine Anekdoten und fragt nach ihrem Wohlbefinden. Diese einfache, aber bedeutende Interaktion zeigt, wie essentiell die emotionale Unterstützung in der Altenpflege ist.

Weiter geht es zu Herrn Müller, der an Demenz leidet. Er ist verwirrt und glaubt, es sei noch mitten in der Nacht. Sabine geht behutsam mit ihm um, ihre Stimme ist sanft, aber bestimmt. Sie lenkt seine Aufmerksamkeit mit einer angenehmen Routine, indem sie ihm erzählt, dass es bald Frühstück gibt und er dafür aufstehen muss. Mit Geduld und sanften Berührungen schafft sie es, Herrn Müller zu beruhigen und ihm beim Anziehen zu helfen. Dieser Moment verdeutlicht die Herausforderung und die Wichtigkeit von Einfühlungsvermögen in der Pflege von Demenzkranken.

Um 8:00 Uhr ist Frühstückszeit. Die Pflegerinnen und Pfleger verteilen das Essen und helfen den Bewohnern, die Unterstützung benötigen. Hier ist Teamarbeit gefragt. Die Atmosphäre im Speisesaal ist lebhaft, Lachen und Gespräche füllen den Raum. Trotz der Anstrengungen, die dieser Job mit sich bringt, spürt man die tiefe Bindung zwischen den Pflegekräften und den Bewohnern.

Nach dem Frühstück beginnt die medizinische Versorgung. Medikamente werden nach einem strengen Plan verteilt, Blutzuckerwerte gemessen und Wundverbände gewechselt. Sabine erklärt mir geduldig jeden Schritt und betont, wie wichtig es ist, die individuellen Bedürfnisse jedes Bewohners zu kennen und zu respektieren. Ihre Professionalität und ihr Wissen beeindrucken mich.

Der Vormittag vergeht wie im Flug. Es stehen Physiotherapie, gemeinsames Basteln und Spaziergänge im Garten auf dem Programm. Besonders beeindruckend ist der Moment, als wir gemeinsam mit den Bewohnern ein altes Volkslied singen. Ihre Augen leuchten auf, und für einen kurzen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Es wird klar, wie sehr solche Aktivitäten zur Lebensqualität beitragen.

Gegen Mittag kehrt eine ruhige Routine ein. Das Mittagessen wird serviert, und danach haben viele Bewohner eine Ruhephase. Für das Pflegepersonal bedeutet das jedoch keine Pause. Es werden Berichte geschrieben, Zimmer gereinigt und die Vorbereitungen für den Nachmittag getroffen. Die Anforderungen an Organisation und Multitasking sind hoch.

Als meine Schicht um 14:00 Uhr endet, habe ich ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und die Erfüllung, die dieser Beruf mit sich bringt. Sabine verabschiedet sich von mir mit einem Lächeln und einem herzlichen „Bis bald“. Sie weiß, dass es keine leichte Aufgabe ist, aber ihre Hingabe und ihr Mitgefühl machen einen spürbaren Unterschied im Leben der Bewohner.

Ein Tag als Pflegerin oder Pfleger im Altenheim ist weit mehr als nur Arbeit – es ist eine Berufung, die Menschenwürde und Empathie in den Mittelpunkt stellt.